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Offener Brief an Angela Merkel, Bundeskanzlerin, die Gründerin und alle Mitglieder der Ethikkommisson "Sichere Energieversorgung" | ||||
Offener Brief an Angela Merkel, Bundeskanzlerin, die Gruenderin und alle Mitglieder der Ethikkommisson "Sichere Energieversorgung" Starnberg, 12. April 2011 Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin, Sie sollen: ".vor dem Hintergrund der Ereignisse in Japan die Risiken der Kernenergie neu bewerten. Es geht um eine nationale Energiestrategie, die von der gesamten Gesellschaft als Leitlinie für die nächsten Jahrzehnte akzeptiert wird...". So lautet Ihr Auftrag, der Ihnen am 4. April 2011 von Bundeskanzlerin Angela Merkel erteilt wurde. Ein hoher Anspruch. Bitte erlauben Sie mir, Sie ein wenig bei Ihrer Arbeit zu unterstützen. Dazu sind einige Zahlen vielleicht hilfreich (siehe nachfolgende Angaben). Sie mögen zwar bekannt sein, enthalten aber ein hohes Verbesserungs-Potenzial. Das Potenzial ist immens. Der Vorteil ist, dass damit sofort begonnen werden kann. Erstaunlicherweise werden diese Zahlen, Daten Fakten weder in so genannten Expertenkreisen noch in den Medien beachtet oder gar diskutiert. Das sollte nicht so bleiben, dafür sind sie zu wichtig. Eine neue Energiestrategie, die Sie jetzt schaffen sollen, und die als Leitlinie für die nächsten Jahrzehnte gelten soll, ist in der Tat dringend erforderlich. Sie kann allerdings nur auf Grundlage einer sauberen Analyse des Ist-Zustandes erfolgen. Nach Angaben des BDEW, Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft e.V. Berlin*, vom 22. März 2010 ist das deutsche Stromnetz unglaubliche 1 783 209 Kilometer lang. Diese Strecke entspricht viermal der Entfernung von der Erde zum Mond. Zusätzlich werden in Deutschland mehr als 550 000 Transformatoren (Umspannwerke) benötigt, um dieses Netz am Laufen zu halten und nur um Elektrizität vom Ort der Erzeugung (meist immer noch Kohlekraftwerke) zu den Verbrauchern in Industrie, Haushalt und KMU zu bringen. Hier bitte ich um eine Beurteilung durch Sie nach ".gesundem Menschenverstand", ob das jemals sinnvoll war oder gar durch einen weiteren Netzausbau zukünftig gefördert werden sollte. Hier sollten Sie bitte zunächst einmal hinterfragen: Wem nutzt das? Laut der Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen e.V. betrugen die Umwandlungsverluste bei der Stromerzeugung (Verbrauch und Verluste im Umwandlungsbereich, Fackel- und Leitungsverluste) im Jahr 2008 (neuere Zahlen sind leider nicht verfügbar) 141,6 Mio. t Steinkohleneinheiten (1 Mio. t SKE = 29,308 Petajoule). Diese Zahl allein sagt noch nicht viel. Die gesamten Energienutzungen in allen deutschen Haushalten betragen 87,3 Mio. t SKE. Dazu kommen in Gewerbe, Handel, Dienstleistungen und übrige Verbraucher zusammen weitere 49,2 Mio. t SKE, das entspricht total einer Summe 136,5 Mio. t. SKE. Alle Verbraucher dieser Gruppen benötigen also weit weniger Energie, als die derzeitigen Verluste in der Elektrizitätswirtschaft betragen. Dies ist der aktuellen Energie-Infrastruktur geschuldet, die in ihren Grundzügen in den Jahren 1880-1890 festgelegt wurde. Und sich seither nicht mehr wirklich verbessert hat. Ein großer "Denkfehler" unserer heutigen Energie-Infrastruktur ist, unter anderem, die Tatsache, das Elektrizität aus erneuerbaren Energien in der Stromwirtschaft seit ihrer Einführung im Jahre 1891 (erstes Wasserkraftwerk ) bzw. in den siebziger Jahren des vorherigen Jahrhunderts (erste Windkraftwerke) stets wie normale Kraftwerke behandelt werden. Das machte schon immer physikalisch wenig Sinn. Da hilft auch ein smartes Netz nicht wirklich weiter. Was also tun? Was wir benötigen - und diese Chance haben Sie, liebe Mitglieder der Ethikkommission "Sichere Energieversorgung" jetzt noch - ist ein klares, offizielles Bekenntnis zu einem wirklich echten, dezentralen, zweckbestimmten und kleinflächigen Energiesystem. Damit meine ich, dass die Energie dort umgewandelt wird, wo sie gebraucht wird. Wir benötigen dazu weder Kernkraft-, noch Kohle-, noch Gaskraftwerke. Das schaffen wirklich sinnvoll eingesetzte erneuerbare Energien alles allein. Allerdings nur, wenn sie systembedingt und "ihrer Natur" entsprechend eingesetzt werden. Und zwar je nach lokal vorhandenen erneuerbaren Primärenergien, die dann für eine lokale Nutzung in einem Umkreis von maximal 15 Kilometer umgewandelt werden. Dann benötigen sie auch nur geringe Speicherkapazitäten und können damit auch sämtliche noch benötigte Transportleistung ebenfalls damit abdecken. Die dafür erforderlichen Anlagen sollten jeweils lokal genutzt, betrieben und vor allem auch von den Leuten, welche die Energie umwandeln und beziehen, besessen werden. Dadurch ändert sich das Verbraucherverhalten, auch in der Industrie, automatisch in die richtige Richtung. Durch all diese Maßnahmen ließen sich die heutigen Energieverluste ebenso reduzieren wie die zunehmend unsicheren Primärenergie-Importe. Mit einer neuen Infrastruktur können wir mehr Energie einsparen, als es unsere gemeinsame Vorstellungskraft es uns vielleicht erlaubt zu glauben. Allerdings setzt dies ein so genanntes Out of the Box-Denken voraus. Außerdem die Bereitschaft, sich objektiv und sachlich mit den vorhandenen Systemkonstellationen auseinanderzusetzten. Als nächsten Schritt benötigen wir dann starke und verantwortlich handelnde Persönlichkeiten, die es verstehen, diese Zusammenhänge unserer Bevölkerung nahezubringen und sie mit ihnen zu diskutieren. Darauf aufbauend, kann man dann die Konzepte zeitnah und lokal umzusetzen. Alle dafür erforderlichen Komponenten und Verfahrensweisen sind z.T. seit Jahren bekannt und bereits vorhanden. Es geht eigentlich "nur noch" um ihre sinnvolle Verbindung Sie alle, liebe Mitglieder der Ethikkommission "Sichere Energieversorgung" haben hier und heute noch die einmalige historische Chance, diesen Quantensprung in unserer Energiewirtschaft einzuleiten. Dazu fehlte es den Verantwortlichen in der Vergangenheit offensichtlich an Durchblick, Mut und vielleicht auch an Zivilcourage. Mögen Sie die Kraft haben, in der Ihnen zur Verfügung stehenden Zeit zu einem vorzeigewürdigen Ergebnis zu kommen. Viele nachfolgende Generationen werden Ihnen dafür dann zu Recht dankbar sein. Bis Ende Mai ist es nicht mehr allzu lange hin. Mit den Energie-Strategie-Weichen, die jetzt, auch von Ihnen, gestellt werden, müssen wir alle wieder lange leben. Vielen Dank für Ihren persönlichen Einsatz in dieser Sache. Für weitere Auskünfte stehe ich Ihnen gern zur Verfügung. Mit freundlichem Gruß, Arno A. Evers FAIR-PR Gründer des Gemeinschaftsstandes Wasserstoff und Brennstoffzellen (ab 1995) Hintergrund-Informationen: Ulrich Beck, ehemaliger Soziologieprofessor an der Ludwig-Maximilians-Universität München * Der hier zitierte Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft e.V. (BDEW), Berlin, wird seit Oktober 2008 von der Vorsitzenden der Hauptgeschäftsführung, Hildegard Müller, geleitet. Frau Müller ist mit dem Bundeskanzleramt gut verdrahtet, war sie doch von 2005 bis 2008 Staatsministerin bei der Bundeskanzlerin und verantwortete die Bund-Länder-Koordination der Bundesregierung. Der BDEW vertritt rund 1800 Unternehmen. Das Spektrum der Mitglieder reicht von lokalen und kommunalen über regionale bis hin zu überregionalen Unternehmen. Sie repräsentieren rund 90 Prozent des Stromabsatzes, gut 60 Prozent des Nah- und Fernwärmeabsatzes, 90 Prozent des Erdgasabsatzes sowie 80 Prozent der Trinkwasser-Förderung und rund ein Drittel der Abwasser-Entsorgung in Deutschland. Weiterführende Links: Dr. Klaus Töpfer auf der Hannover Messe 2003: |
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Arno A. Evers • Imprint / Contact |