Berichte von der Hannover Messe
Familientreffen mit der Brennstoffzelle
Noch kämpfen die Pioniere mit Startproblemen einer
neuen Technologie geg. HANNOVER, 20. April. Die Brennstoffzellentechnik
kann eine Schlüsseltechnologie werden, um die Kohlendioxydemissionen
zu reduzieren. Darin sind sich die Experten auf einem Podium
des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI) auf der Hannover Messe
einig. Der Einsatz der Brennstoffzelle sei zwar Ende der neunziger
Jahre zu optimistisch gesehen worden, jetzt drohe man aber
hierzulande in das andere Extrem zu verfallen und die Technik
kleinzureden. "Die strategische Bedeutung dieses Marktsegmentes
darf nicht unterschätzt werden", warnt Wolfgang
Winkler, Vorsitzender im VDI-Fachausschuß Brennstoffzellen.
Es drohe die Gefahr, daß die Entwicklung zu serienreifen
Produkten weitgehend im Ausland stattfinde und Deutschland
seine führende Stellung bei der Entwicklung einer neuen
Technologie verliere.
Einer der unermüdlichsten Förderer der Brennstoffzellentechnik,
die uns von den endlichen Rohölreserven unabhängig
machen soll, ist Arno Evers. Der 1946 geborene technische
Kaufmann brachte es bis zum Chef der Presseabteilung von MBB
Messerschmitt-Bölkow-Blohm. Mit 45 Jahren reichte ihm
das Angestelltendasein nicht mehr. Er machte sich selbständig
und organisierte für die Deutsche Messe AG Sonderschauen,
darunter auch 1995 eine für das damals ganz junge Arbeitsgebiet
der Wasserstofftechnologie und Brennstoffzellentechnik. Wie
bei Messen üblich, gab man dem neuen Projekt drei Jahre
Zeit. Das Ergebnis war deprimierend: 21 Aussteller auf 175
Quadratmetern. "Das rechnet sich nie, wir geben auf",
beschied die Deutsche Messe AG. Aber Evers gab nicht auf.
Seit 1998 mietet er die Hallenfläche und organisiert
die Gemeinschaftsschau "Hydrogen + Fuel Cells" auf
eigene Rechnung. Mit anfänglich zwei Mitarbeitern kämpfte
Evers um jeden Aussteller. Der Durchbruch gelang ihm 2000,
als er die ersten amerikanischen Aussteller nach Hannover
geholt hatte. Im folgenden Jahr verdreifachte sich die Ausstellungsfläche
auf 900 Quadratmeter und 2002 um weitere 70 Prozent. Dieses
Niveau hat sie nach dem Sars-bedingten Rückgang 2003
auch in diesem Jahr mit gut 1400 Quadratmetern halten können.
Auf seinem Stand präsentieren 100 Aussteller ihre Erfolge
in der Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie. "Das
sieht doch hier gar nicht aus wie eine Messe", sagen
die Aussteller zu ihrer Teilnahme. Eigentlich handelt es sich
um ein Familientreffen der Branche. Hier bekommen die Aussteller
morgens ein Frühstück und Mittags ein warmes Essen.
Wer Standschmuck braucht, wendet sich ebenso an Evers und
seine sieben festen Mitarbeiter wie derjenige, der für
ein Gespräch mit einem Kunden ein ruhiges Zimmer sucht.
"Einmal im Jahr kommen wir alle, die wir sonst Konkurrenten
sind und uns nicht in die Karten schauen lassen, hier zusammen
und tauschen uns aus", beschreibt ein Aussteller Evers'
Leistung, dem sie dafür über 1000 Dollar je Quadratmeter
zahlen.
Evers glaubt an die Technologie. "Das Ganze steht und
fällt mit dem Ölpreis", begründet er den
noch fehlenden Durchbruch am Markt. Wenn der Ölpreis
signifikant steigt, dann schlage die Stunde der Brennstoffzelle.
Die Brennstoffzelle macht die aus dem Physikunterricht jedermann
geläufige Elektrolyse rückgängig. Die Schüler
lernen, daß man Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff
zerlegen kann, wenn man Energie, also Strom, hinzufügt.
Die Brennstoffzelle fügt den Wasserstoff mit dem Sauerstoff
wieder zusammen und schöpft den jetzt wieder freiwerdenden
Strom ab, um entweder Autos anzutreiben oder Häuser zu
heizen. Noch bereitet vor allem der Umgang mit Wasserstoff
große Probleme.
Der VDI glaubt an diese Technologie. Er erwartet den Durchbruch
aber frühestens in zehn Jahren. Da ist Evers optimistischer.
Allein, daß auch die großen Mineralölgesellschaften
sich den Zugang zu dieser Technik gesichert hätten, stimme
ihn positiv. Weltweit arbeiten etwa 20 000 Menschen am Durchbruch
der Brennstoffzelle - 15 000 dieser Entwickler hat Evers in
seiner Kartei.
So arbeitet eine Kooperation der Unternehmen Linde, Still
und Proton Motor Fuel Cell an einem wasserstoffgetriebenen
(der erforderliche Sauerstoff wird der Luft entnommen) Gabelstapler,
der zur Zeit auf dem Flughafen München getestet wird.
Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt arbeitet
mit Airbus daran, Bordstrom aus Brennstoffzellen zu entwickeln,
und Viessmann heizt probeweise ein spanisches Krankenhaus
mit Brennstoffzellentechnik.
Evers entwickelt derzeit seine Messe weiter. Im November
wird es erstmals eine zweite Ausstellung im selben Jahr geben,
und zwar in China auf einem Gemeinschaftsstand mit dem Ministerium
für Dienstleistungen und Technologie. Vom chinesischen
Staat erwarten manche Hersteller auch den Startschuß
zur Massenfertigung: "Wenn China das Wasserstoffauto
will, dann wird es bald auf den Markt kommen", sagen
sie. Sie vermuten, daß viele Autohersteller die neue
Technologie deshalb nicht forcieren, weil sie den Brennstoffmotor
überflüssig machen könnte.
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